Corona Interview mit Philipp Tawfik
Fast ein halbes Jahrzehnt ist das Seminar mit Philipp in der Trickbox nun her. Damals, war der Laden in Wien gerade neu umgestaltet worden und Philipp hat wahrscheinlich noch keinen Gedanken an eine Onlineshow verschwendet. Wie er das heute, nach zwei Jahren Pandemie sieht, erfährst du im Interview.
Viel Spaß beim lesen! 🙂
Wie hast du die Pandemie bisher persönlich erlebt? Was hat es für dein Leben bedeutet?
So sehr ich meine Profikollegen um ihre Tagesfreizeit in der Prä-Pandemiezeit beneidet habe, so sehr war ich in diesem unerwarteten Szenario doch in einer gefühlt privilegierten Situation. Durch meinen Tagesjob als Uhrmacher hatte ich nicht das Gefühl, plötzlich in der Luft zu hängen. Natürlich war zu Beginn auch für mich nicht klar, wohin sich das Ganze entwickeln würde, aber nach relativ kurzer Zeit konnte ich an der Entschleunigung mehr Positives als Negatives finden. Ich konnte mich auf das Reparieren von (Luxus)Uhren fokussieren – eine Arbeit, die auch in der Pandemiezeit nicht weniger wurde. Ganz im Gegenteil.
Wie bist du als Künstler mit der Situation umgegangen? Was hatte Erfolg und was eher nicht?
Auch wenn ich jetzt jammern könnte, dass die Auftritte unwiederbringlich weggefallen sind, möchte ich der Situation etwas Positives abgewinnen. Ich bin von meinem Freund und Kollegen Christoph Kulmer gefragt worden, ob ich denn nicht Lust hätte, gemeinsam eine Onlineshow auf die Beine zu stellen. Nach kurzer Überlegung habe ich mich dafür entschieden. Hauptsächlich, um mich meiner Kamerascheu zu stellen. Es war schlussendlich ein großartiges Projekt und ich konnte viel lernen. Von Christoph und vom Feedback der Zuschauer und Kollegen.
An dieser Stelle möchte ich ein paar Worte über Onlineshows verlieren. Man kann die ganze Zeit jammern, dass online beim Publikum kein vergleichbares Gemeinschaftsgefühl beim Erleben der Magie ausgelöst wird und man deshalb nicht in den virtuellen Raum gehen mag. Das ist ein Punkt und er ist gerechtfertigt. Auch der technische Aufwand ist natürlich enorm. Auch ok.
Man kann die Motivation FÜR Onlineshows aber auch von der kreativen Seite beleuchten. Unser Denkansatz war nie, uns darüber zu ärgern, was bei Shows im digitalen Raum alles fehlt, sondern unsere Frage war immer: was hat dieses Medium Einmaliges zu bieten, das wir live nicht haben können? Welche Effekte können wir realisieren, die wir in einer Livesituation niemals machen können? Natürlich immer unter der Bedingung, dass es auch wirklich live ist. Zur Realisierung dieser Effekte mussten wir ganz anders denken als sonst, unsere Köpfe haben geraucht und wir konnten Illusionen auf die Beine stellen, die ohne Pandemie und Lockdowns sicher nie entstanden wären. Für diese Lernerfahrung bin ich sehr dankbar und freue mich darauf, dass ich in 10 oder 20 Jahren mal sagen kann, dass ich in dieser außergewöhnlichen Situation auch etwas Einmaliges auf die Beine gestellt und nicht nur zugesehen habe. Der Dank geht hier natürlich besonders an Christoph, der mich auf diese Reise mitgenommen hat.
Wenn du die Zeit zurück drehen könntest, gibt es etwas, das du aus jetziger Sicht anderes machen würdest?
Ja, ich wäre am liebsten viel früher und somit auch länger in das Onlinebusiness eingestiegen. Die Shows haben einfach viel zu viel Spaß gemacht.
Natürlich hätte ich auch an anderen Stellen mehr rausholen können. Insgesamt bin ich froh, dass ich mein Stand-Up Programm optimieren konnte. Aufgrund der Distanzthematik hat sich das in dieser Zeit als gefragter herausgestellt als Close-Up Auftritte. Aber insgesamt hat mir die schon angesprochene Entschleunigung recht gut getan. Natürlich könnte ich aber auch noch an genug anderen Stellen meiner Programme was zum Verbessern finden.
Aber wenn ich schon die Zeit zurückdrehen könnte, müsste dann die eigentlich Frage nicht sein, ob ich im Herbst 2019 eine Reise nach China gebucht und versucht hätte die Hygienebedingungen auf den Tiermärkten zu verbessern…?
Wie hat sich die Pandemie aus deiner Sicht auf die Zauberkunst ausgewirkt? Wo gab es die größten Veränderungen?
Naja, ich kann nicht sagen, wie sehr sie sich nach der ganzen Zeit verändern wird. Wir haben ja schon jetzt in den kurzen, sommerlichen Verschnaufpausen gesehen, dass die Menschheit versucht, zu einem „Normal“ zurückzukehren. Nicht nur das Virus kommt also in Wellen, sondern auch der Zugang zum Erleben der Zauberkunst. Ich vermute mal, wenn die Wellen nicht mehr so hoch schlagen werden, dann wird es auch kaum Veränderungen zu vorher geben.
Ich muss aber dazusagen, an solchen Vorhersagen sind auch schon andere gescheitert…
Welche Veränderungen in der Welt, die durch die Pandemie entstanden sind, werden deiner Meinung nach auch in Zukunft erhalten bleiben?
Ich könnte mir vorstellen, dass Gespräche mit Video bleiben werden – sei es jetzt privat oder beruflich. Nicht als Ersatz für das persönliche Gespräch, sondern eher als Zusatznutzen für das gewöhnliche Telefonat.
Ich muss leider fürchten, dass sich die gespaltene Gesellschaft nicht so schnell wieder von selbst heilen wird (können). Hoffen kann ich nur, dass sie sich auch bei anderen Themen, die in der Zukunft aufkommen werden, nicht so leicht entzweien lässt.
Aber ob sich Menschen mit 60+ in Zukunft bei der Begrüßung noch „elbow checken“ oder „fist bumpen“, wage ich ernsthaft zu bezweifeln. 😉
Mehr zur Onlineshow der beiden Künstler findest du hier…
Digital Magic: Neue Show: So verblüffend ist die Magie online – Klosterneuburg (meinbezirk.at)
Fotocredit: Christoph Kulmer