Handel im Lockdown
Heute stand ich beim Supermarkt an der Kasse. Vor mir eine Dame, die eine Kaffeemaschine kaufen wollte. “Das darf ich ihnen leider nicht verkaufen, die ist gesperrt!“, sagte die Kassiererin. Und gleich darauf fügte sie hinzu: “Das machen wir so wegen der Solidarität mit den anderen Händlern“.
Nun, ich bin einer dieser anderen Händler. Zwar gibt es in der Trickbox keine Kaffeemaschinen, aber durchaus andere Produkte, die sich auch im Sortiment mancher systemrelevanteren Geschäfte als meinem finden. Von Spielkarten bis zu Zauberkästen, vor allem in der Vorweihnachtszeit. Eigentlich müsste ich ja glücklich sein, wenn hier soviel Solidarität gelebt wird. Bin ich aber leider nicht so 100%ig. Denn was auf den ersten Blick so solidarisch wirkt, hat in Wahrheit häufig einen eigentlich gar nicht so erwünschten Effekt.
Nehmen wir nochmal die Dame mit Maschine von heute. Sie hat im Supermarkt, aus welchen Gründen auch immer, die Entscheidung getroffen Geld dafür auszugeben. Die Chance ist nun sehr hoch, dass sie danach immer noch eine haben möchte, da es nun diesen Kaufwunsch gibt. Ein recht einfacher Zusammenhang, für den man kein Studium des Neuromarketing benötigt. Aber es spielt eigentlich auch keine große Rolle, ob sie bereits mit dem Wunsch eine zu kaufen in den Markt gekommen ist, oder der Impuls dort es ausgelöst wurde. Das Ergebnis ist, sie hätte gerne eine und bekommt sie dort nicht. Und auch nirgendwo anders.
Nirgendwo? Naja, bis auf die Kleinigkeit mit dem Internet. In den letzten Jahren hat es hier eine Dynamik gegeben, die selbst mich überrascht hat. Und seit der Pandemie gab es hier noch zusätzlich einen Boost. Ein Zauberfreund arbeitet hauptberuflich in einer Firma in der er auch die Möglichkeit hat einiges im Homeoffice zu machen. Er erzählte mir, dass diese Firma unlängst neue Webcams für Onlinemeetings angeschafft hat. Die gleichen, die sie schon einmal gekauft hatte. Nur, dass sie jetzt um ein vielfaches teurer sind. Man sieht, die Nachfrage ist somit ebenfalls um ein vielfaches höher als noch vor ein paar Monaten! Für viele ist es nun normal geworden übers Internet ihre Meetings abzuhalten. Für viele Künstler auch online ihre Shows zu spielen. Für unglaublich viele Menschen mehr ist es mittlerweile ganz normal im Webshop einzukaufen.
Dabei ist eines wichtig zu wissen. Jeder zweite Euro, der aktuell in Österreich beim Onlinekauf ausgegeben wird, wandert ins Ausland. Und da sieht man schon wo das Problem mit der gut gemeinten Solidarität ist. Was habe ich davon, wenn der Zauberkasten im Supermarktregal gesperrt ist? Ich mache deswegen keinen Cent mehr Umsatz. Aber der Supermarkt macht weniger. Dies ist wiederum schlecht für unsere Wirtschaft und unsere Arbeitsplätze. Somit macht es im schlechtesten Fall sogar noch meine Kunden ärmer. Keine Dynamik, wie ich sie mir wünsche. Dazu kommt natürlich noch, dass man nicht vergessen darf wer dabei gestärkt wird, die großen Onlinehändler. Und nochmal, 50% davon gehen ins Ausland. Machen die Onlineriesen jetzt noch mehr Geld, werden sie ausbauen und irgendwann noch eine viel größere Konkurrenz für uns alle sein.
Solidarität unter Händlern bedeutet für mich nicht, dass österreichische Händler darauf verzichten Produkte zu verkaufen wenn es möglich ist. Viel wichtiger wäre es gemeinsam dafür einzutreten, dass denen die zumachen müssen der Schaden so weit wie Möglich ersetzt wird. Dabei geht es neben dem Umsatzverlust auch um den Verlust der in der Zukunft entsteht, da so manch Folgegeschäfte wegfallen. Wichtig wäre es dafür einzustehen, dass Ware die um die halbe Welt fliegt nicht zu Dumpingpreisen hier über Onlineshops im Ausland gekauft werden kann. Hier geht es um sinnvolle Besteuerung. Es geht um gerechte Bezahlung für Paketboten, ein System, das diese ganzen Billiglieferungen erst möglich macht. Hier geht es um Steuerung auch aus einem reinen Umweltgedanken raus. Klimaerwärmung und co. sind zwar medial momentan nicht so präsent, deswegen aber auch nicht verschwunden. Und diese Liste könnte man noch ein ganzes Stück weiterführen.
Michael Niavarani hat vor gar nicht allzu langer Zeit gesagt: „Aber ist es nicht trotzdem erstaunlich an der ganzen Situation, dass die Wirtschaft zugrunde geht, wenn die Menschheit acht Wochen lang sich nur das kauft, was sie wirklich braucht? Ist doch arg, oder? Acht Wochen nur Lebensmittel gekauft und was man ganz dringend braucht, und die Wirtschaft geht zugrunde. Das heißt, wir kaufen uns nur Scheißdreck eigentlich.“ Natürlich ist es etwas überspitzt. Aber steckt nicht auch viel Wahrheit darin? Vielleicht ist diese Krise auch ein Zeichen an uns Händler uns gemeinsam unserer eigentlichen Aufgabe wieder bewusst zu werden. Und die ist in erster Linie nun mal nicht den größten Umsatz von allen zu machen. Sondern das zu bieten, was die Menschen brauchen, in bestmöglicher Qualität.
Vor etwas längerer Zeit habe ich das Buch “Geplanter Verschleiß” von Christian Kreiß gelesen. Er beschreibt hier sehr gut, wie Produkte heute immer mehr so konzipiert sind, dass sie möglichst viel Gewinn bringen. Das steht im vollkommenen Gegensatz zu der Idee ein Produkt zu haben, dass den größten Nutzen für den Konsumenten bringt. Möglich ist das unter anderem durch sehr aggressives Marketing für genau diese Produkte. Kreiß beschreibt hier, wie dieses System dazu führt, dass wir viel mehr Produkte erzeugen müssen, als es eigentlich notwendig wäre. Einfach gesagt, wenn das Ding zum Beispiel nur halb so lang hält wie früher, muss man sich im gleichen Zeitraum zwei kaufen. Das bringt zwar mehr Umsatz, aber in Wahrheit macht es uns viel unproduktiver. Immerhin haben wir doppelt so viel produzieren müssen, um die Wünsche des Kunden zu erfüllen. Kreiß rechnet hier noch das Marketing für solche Produkte mit ein, das ansonst in der Form nicht notwendig wäre. Auch dieses trägt somit zu Unproduktivität bei. Das Ergebnis ist ein enormer Volkswirtschaftlicher Schaden. Und natürlich kommt auch hier wieder der Schaden für die Umwelt dazu. Zuerst doppelt so viel produziert, am Ende auch noch doppelt so viel weggeschmissen.
Die Pandemie führt uns gerade zusätzlich in eine wirtschaftlich sehr problematische Situation. Prognosen von einem BIP Rückgang von 6% bis 7% schwirren durch den Raum. Die Arbeitslosenzahlen steigen immer dramatischer an. Wann wenn nicht jetzt wäre der richtige Zeitpunkt um über eine bessere Produktivität nachzudenken. Über bessere Produkte und über bessere Produktion. Über die Frage der Nachhaltigkeit, sowohl im Sinne einer besseren Wirtschaft, wie auch einer besseren Umwelt.
Und wir als Händler können auch hier einen wichtigen Betrag leisten. Schließlich sind wir es, die Produkte auswählen die danach in den Regalen landen. Egal ob physisch oder digital. Am Zaubermarkt ist hier besonders zu beobachten, wie absurd die ganze Situation bereits geworden ist. Jede Woche kann man in den Newslettern von so manch Händlern ein bis zwei Dutzend neue Produkte finden. Also mehrere hundert jedes Jahr! Darunter Dinge, die in Wahrheit erst zu einen späteren Zeitpunkt ausgeliefert werden, also noch nie einer in der Hand hatte. Mich als Händler erschreckt zudem wie oft hier wirklicher Quatsch dabei ist. Sieht man sich die Newsletter der letzten Monate an wird einem schnell klar, das meiste sieht man nie irgendwo vorgeführt. Es taucht in keinen Liveshows auf und meist nicht mal in einem Youtube Video. Es wurde produziert, durch die halbe Welt geschickt, durch modern gemachte Trailer vermarktet und von irgendjemanden gekauft, der es früher oder später in den Müll stecken wird. Einzige Ausnahme, er wird es Second-Hand wieder los. Dann steckt es der zweite in den Müll.
Wenn ich in den Supermarkt gehe, wäre es mir lieber die Dame vom Anfang könnte ihre Kaffeemaschine kaufen. Und ich würde mir wünschen, dass sie hier ein Gerät hat, dass zumindest zu einem großen Teil in Österreich entwickelt und produziert worden ist. Und dann wäre es noch schön, wenn die Maschine sie über viele Jahre begleitet bis sie den ersten kleinen Defekt hat, der dann reparierbar ist und sie viele weitere Jahre nutzbar macht.
Klingt utopisch? Man wird ja wohl noch träumen dürfen. Aber als Händler kann ich noch mehr als das. Für die Trickbox wird es 2021 einen Neustart geben. Dabei wird sich vieles wesentlich ändern. Ich sehe das auch als Chance an, nicht nur die Geschäftsidee in einer Form neu zu gestalten, dass sie zukunftstauglich wird, sondern auch darüber nachzudenken wie ich mit meinen eigenen Modell zumindest einen Schritt in eine aus meiner Sicht bessere Welt gehen kann. Und ich weiß, dass sie besser wird. Zumindest um das kleine Stück, das ich beitrage ;-).