Aufnahmeprüfungen in Zaubervereinen
Aufnahmeprüfungen waren schon immer ein wirklich spannendes Thema. Der Grund warum mich das gerade jetzt beschäftigt ist einfach. Vor kurzem war ich bei der Gründung eines neuen Zauberklubs beteiligt, dem Magischen Ring Niederösterreich. Da ich hier nun auch als künstlerischer Leiter tätig bin ist es naturgemäß einer meiner ersten Aufgaben mir über solche Dinge Gedanken zu machen.
Eines möchte ich hier gleich am Anfang erwähnen. Jeder Klub hat hier sein Running System, dass sich oft seit langer Zeit bewährt hat. Und ich möchte dies auch keinesfalls schlechtreden, oder gar den Versuch unternehmen es jemanden ausreden zu wollen. Da wir hier aber gerade in Niederösterreich dabei sind eine komplett neue Struktur zu schaffen, nutze ich die Gelegenheit um manches kritisch zu hinterfragen. Das gibt uns wiederum die Möglichkeit neues zu formen und auszuprobieren. Deswegen verzeiht, wenn der nun kommende Text einen Hang dazu hat, die durchaus auch existierenden positiven Effekte einer solchen Prüfung ein wenig auszublenden. Es ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass ich gleichzeitig versuche alles halbwegs in einer noch überschaubaren Textlänge zu halten.
Durch viele Gespräche, die ich mit Kollegen aus den unterschiedlichsten Klubs über die Jahre geführt habe kenne, ich da so einige Ansätze. Ich selbst habe so etwas ja auch mal in meinem ehemaligen Klub abgelegt. Und danach bei so einigen zusehen dürfen. Schon vor einigen Jahren kam ich zu der Überzeugung, dass diese Prüfungen gar nicht immer so sinnvoll sind, wie sie am ersten Blick scheinen.
Zauberklubs, die Vereine für die Profis?
Warum ich das so sehe und wie die Alternative aussieht, da muss ich ein wenig ausholen. Zunächst glaube ich, ist es gut zu wissen, dass die meisten Klubs vorwiegend aus Hobby Zauberern bestehen. Und das ist keineswegs etwas schlechtes! So eine Klubszene erfüllt aus meiner Sicht viele wichtige Aufgaben für die Zauberkunst, worüber man selbst einen ganzen Artikel schreiben könnte. Und die Anzahl an Profis die tatsächlich regelmäßig vor Publikum stehen und damit ihr Leben finanzieren, würde auch niemals ausreichen um eine Klublandschaft, wie wir sie zum Glück in Österreich haben zu füllen.
Es ist auch nicht so, dass alle Menschen in allen Zauberklubs grundsätzlich gute, talentierte Zauberer sind. Das mag manch einen, der diese Szene nicht so kennt überraschen, liegt aber in der Natur der Sache. Vereinsstrukturen brauchen zum funktionieren nun mal mehr als “nur” Künstler. Veranstaltungen gehören Organisiert, es bedarf an Öffentlichkeitsarbeit, mal braucht es Techniker, mal Stage Hands, ein anderes mal jemanden der eine Bibliothek in Schuss hält. Und das sind nur ein paar Beispiele von unzähligen Aufgaben, die über das reine Zaubern hinaus gehen. Und die dafür notwendigen Menschen finden wir glücklicherweise eben auch in den Vereinen.
Dann kommt hier noch dazu, dass Zauberkunst ja eigentlich ein Überbegriff für ganz vieles ist. Vom Mentalmagier, über den Kinderzauberer, vom Großillusionisten, dem Kartekünstler bis zum lustigen Plauderzauberer und vielen Formen mehr ist hier alles darunter vereint. Die bald 12 Jahre, die ich nun im Zauberladen stehe, konnte ich mit sehr vielen Menschen sprechen und habe unzählige Ideen und Perspektiven kennen lernen dürfen, was Zauberkunst für den einzelnen eigentlich ist.
Und dann ist es natürlich so, dass Vereine häufig auch eine soziale Komponente haben, an die im ersten Moment gar nicht gedacht wird. Hier treffen sich Freunde mit ähnlichen Interessen. Das gemeinsame Interesse Zauberkunst ist natürlich das Bindeglied. Aber ebenso wird hier auch mal über andere Dinge gesprochen und über die Jahre entwickeln sich Beziehungen, die über die Zauberei hinausgehen.
Was geschieht bei Aufnahmeprüfungen?
Sieht man einen Zauberverein aus all diesen Perspektiven wird schön langsam klar, wie schwierig es ist hier einen sinnvollen Prüfungs-Modus zu finden. Mann möchte ja auch Karli, den guten Freund dabei haben, der eigentlich bisher “nur” ein paar Selbstgänger-Kartentricks beherrscht. Aber gleichzeitig ist es ein talentierter Tontechniker, der auch Musik für viele Acts perfekt zusammenstellen und scheiden kann. Und vor Publikum stehen möchte er sowieso nicht.
Ich habe viele Varianten von Prüfungen gehört. Mal muss in unterschiedlichsten Settings gezaubert werden, mal werden dabei auch mehr oder weniger Inhalte vorgegeben. Da kann es auch schon mal vorkommen, dass die Inhalte so überhaupt nicht zudem passen, was Karli sonst so macht. Muss ein Kinderzauberer wirklich ein Kartenkunststück vorzeigen können? Ein Mentalmagier eine Manipulationsnummer? Der Manipulator eine Comedy-Programm?
Zugegeben, ganz soweit geht es dann bei Prüfungen, zumindest meines Wissens nach dann doch nicht. Aber es zeigt wie schwierig es wird, wenn man beginnt die Inhalte einer gezeigten Nummer auch nur im Ansatz vorzugeben. Natürlich kann Karli sich jetzt auch Wochenlang hinsetzen und einen Billardball Act einstudieren, den er dann am Tag der Prüfung runtereiert. Aber macht das wirklich Sinn?
Dazu kommt dann natürlich gleich das nächste Problem. Karli ist danach nämlich Mitglied. Und die Mitglieder haben in der Regel bei zukünftige Aufnahmeprüfungen die Aufgabe darüber abzustimmen, ob diese bestanden wurde. Wer Wettbewerbe und die schwierige Aufgaben kennt, die für die Jury damit verbunden sind merkt schnell, das wird wohl für Karli dann nicht ganz so einfach werden. Zumindest wenn es irgendwie objektiv sein soll.
Zusammengefasst, um Objektivität kann es bei derartigen Prüfungen nur in einem begrenzten Ausmaß gehen. Und das zeigt sich auch in der Praxis. Denn nur so ist es möglich, dass auch die, die eigentlich nicht so die begabtesten Künstler sind, aber andere wichtige Funktionen in Vereinen erfüllen, den Weg an der Prüfung vorbei schaffen.
Und dann gibt es neben den praktischen Teilen oftmals auch die theoretischen. Oft ein Potpourri an Fragen, welche die Verfasser, warum auch immer für wichtig erachtet haben. Auch mal gerne wild zusammengewürfelt, aus irgendwelchen Bereichen der Zauberei. Alternativ findet man auch immer noch theoretische Prüfung, die sich auf den Inhalt des Handbuchs der Magie von Jochen Zmeck beziehen. Ein tatsächlich gutes deutschsprachiges Buch. Allerdings auch schon ein halbes Jahrhundert alt. Und es ist halt so, dass sich die Zauberkunst in so manchen Bereichen die letzten Jahrzehnte weiterentwickelt hat.
Zumindest ist eine theoretische Prüfung etwas, das halbwegs objektiv beurteilt werden kann. Jemand weiß etwas, oder eben nicht. Ob das Aufsagen von auswendig gelernten Inhalten tatsächlich für ein ausreichend breites Wissen in der Zauberei steht und für eine höhere Qualität in den Vereinen danach sorgt, da bin ich mir nicht ganz so sicher.
Wie geht es anders?
Du merkst es wahrscheinlich schon. Ich habe so meine Zweifel, ob Aufnahmeprüfungen in den bisherigen meist üblichen Formen so gut sind, wie sie auf den ersten Blick wirken. Sicher haben sie historisch eine gewisse Berechtigung gehabt. Wurden vor 100 Jahren noch tatsächlich Geheimnisse in den Klubs geheim gehalten. Dies ist schon lange nicht mehr so. Und das wiederum ist übrigens keine Geschichte, die mit dem Internet beginnt. Schon davor wurden schließlich unzählige Bücher und später auch Videos rausgebracht, die sich jeder kaufen konnte. Etwas, das in einem öffentlich erhältlichen Buch und Video erklärt wird ist nun mal kein Geheimnis. Und ganz ehrlich, ich bin froh, dass es so ist!
Die Sorge, dass sich hier Menschen in Vereine einschleusen, um Geheimnisse zu erfahren und man sich deshalb mit Aufnahmeprüfungen davor schützen muss, ist in Zeiten von Youtube & Co aus meiner Sicht besonders absurd geworden. Die meisten Kunden der Trickbox sind keine Mitglieder eines Vereins. Sie können praktisch jedes am Markt erhältliche “Geheimnis” bei mir bestellen, wenn sie das wollen.
Aber was nun? Einfach jede und jeden Aufnehmen? Aber nein! Das geht auf keinen Fall!
Was, wenn jetzt nicht nur Karli, sondern auch Alwin kommt und Mitglied werden möchte? Alwin, der Miesepeter, der nur über die eigenen mal Frauen verachtenden, mal Ausländer feindlichen Witze lacht, die er selbst erzählt. Der, der es kaum keinen Abend schafft, ohne mit anderen zu streiten. Der, bei dem sich alle unwohl fühlen, wenn er den Raum betritt und der eigentlich nicht wirklich was positives beizutragen hat.
Man sieht, wenn sich alle in einem Verein wohl fühlen sollen und man sich hier auch ein gewisses Maß an Konstruktivität wünscht, muss man sich auch darüber Gedanken machen wen man eben nicht aufnimmt. Auch klar ist aus meiner Sicht, dass es hier keine Aufnahmeprüfung braucht, bei der man Alwin durchfliegen lässt. Stellt sich nämlich heraus, dass er trotz seiner asozialen Charaktereigenschaften einen wunderbaren Kartenmanipulations-Act hat und auch unheimlich belesen in der Zauberei ist, wäre die Objektivität bei so einer Prüfung genauso über Bord geworfen, wie wenn man Karli durchwinkt.
Wir haben uns beim MRN aus diesem Grund für eine andere Herangehensweise entschlossen. Zum einen gibt es ja bereits seit 2,5 Jahren unsere offenen Treffen. Hier kann tatsächlich jede und jeder kommen. Egel, ob Anfänger oder Profi. Nach diesen 2,5 Jahren können wir festhalten, dass dies wunderbar funktioniert und diese Treffen auch weiterhin offen für alle bleiben, auch wenn sie nun von einen Verein organisiert werden. Der Verein selbst hat allerdings noch etwas zusätzliches bekommen, das man so aus Zaubervereinigungen nicht unbedingt kennt. Einen Wertekodex! Wenn du wissen möchtest, was da so drinnen steht, kannst du ihn dir direkt hier von unserer Webseite runterladen.
Der MRN wird also ausschließlich aus Mitgliedern bestehen, die auch zu diesen Kodex stehen. Und dies wird natürlich auch in den offenen Treffen so gelebt werden, an denen ebenfalls Nicht-Mitglieder teilnehmen können.
Nun gibt es etwas, dass man auch aus anderen Vereinen bereits kennt. Nämlich die Möglichkeit einer außerordentlichen Mitgliedschaft. Diese Form hat in den verschiedenen Klubs eine durchaus unterschiedliche Bedeutung. Bei uns wird sie eben für Menschen wir Karli da sein, wobei tatsächlich jede und jeder die Möglichkeit hat, sich dafür zu bewerben. Und das unabhängig davon, ob Karli überhaupt ein einziges Kunststück vorzeigen kann, oder nicht! Mehr dazu findest du hier. Somit wird unserer Grundbasis ein Klub mit gemeinsamen Interesse Zauberei und gemeinsamen Werten sein, in dem tatsächlich nicht jede und jeder auch wirklich Zaubern kann.
Prüfen, oder nicht Prüfen, das ist hier die Frage
Aber wie ist das jetzt mit Shows? Wie wird man dann ordentliches Mitglied und kann bei Shows mitwirken? Ist hier nicht dann erst recht eine Prüfung notwendig um zu sehen, ob die oder der es auch kann? Hier eine klares jein!
Die Idee ist einfach. Karli wird außerordentliches Mitglied und kann den Wunsch äußern auch ordentliches Mitglied zu werden. Die Künstlerische Leitung wird dies dann in Absprache mit dem restlichen Vorstand genehmigen, oder eben auch nicht. Im Vordergrund steht hier das persönliche Gespräch mit Karli. Die Frage die geklärt werden wird ist, ob es eine Möglichkeit gibt Karli in aktuelle, oder auch zukünftige Showformate einzubauen.
Dazu sei gesagt, dass es das Vorhaben gibt die Showformate des MRN auch an diese Situation anzupassen. Das weicht von der häufig verwendeten Struktur ab, allen Künstlerinnen und Künstlern einen fixen Timeslot in einer Show zu geben, den sie dann meist alleine füllen müssen. Das ist nicht mal etwas ganz was neues, gibt es doch jetzt auch schon Formate bei anderen Vereinen, in denen nicht einfach Nummer nach Nummer gespielt wird, sondern tatsächlich ein gemeinsames Programm.
So ein gemeinsames Programm halte ich persönlich nicht nur für schöner, es gibt eben auch ganz andere Möglichkeiten. Vor allem, alle nach ihren Fähigkeiten einzusetzen. Vergleichbar wie bei einem Theaterstück spielt hier jede und jeder ihre, beziehungsweise seine Rolle. Hier gibt es Hauptrollen, Nebenrollen und Statisten. Alle mit sehr unterschiedlichen Aufgaben. Gleichzeitig aber auch alle ein wichtiger Teil einer Inszenierung eines magischen Programmes. Über die Monate und Jahre wird jede und jeder die Möglichkeit haben, nach Lust und Fähigkeit in anderer, anspruchsvollere Rollen zu schlüpfen, oder eben auch nicht.
Entscheiden wir uns dafür, Karli die Möglichkeit zu geben hier mitzumachen, dann wird er seine Prüfung an einem Aufnahmetag ablegen. Die Prüfung selbst bedeutet allerdings, dass er ein einstudiertes Programm vor den anderen Mitgliedern und ihrer Begleitung zeigt. Der gemeinsame Spaß wird hier im Vordergrund stehen. Ist das Programm gezeigt, ist die Prüfung auch damit bestanden.
Conclusio
Ja ich weiß, langer Text. Schön, dass du bis hierher gekommen bist! 🙂
Und doch habe ich mich eigentlich auf das wichtigste Beschränkt. Hier gäbe es noch viele Gedanken zu verfolgen und Dinge ergänzend zu schreiben. Die Grundidee ist aber, so denke ich klar. Ein neuer Verein, der gemeinsame Werte vor zauberischen Können stellt. Ein Verein, der auch Nicht-Mitgliedern die Möglichkeit gibt sich mit anderen auszutauschen und somit weit offen nach außen ist. Ein Verein, bei dem jede und jeder, den jeweiligen Fähigkeiten entsprechend bei Shows eingesetzt wird. Und eben auch ein Verein, bei dem es keine Prüfung mehr gibt, bei der man durchfallen kann.
Ob dies alles so aufgeht und funktionieren wird? Ich hoffe! Und wenn da oder dort die Praxis zeigt, dass etwas nachjustiert werden muss, dann ist das halt so. Wir wissen aber, dass sich die Welt stätig Verändert. Und ich bin von der Notwendigkeit überzeugt, immer wieder aufs neue den Versuch zu unternehmen Zaubervereine an diese neue Welt anzupassen. So besteht aus meiner Sicht die größtmögliche Chance, dass sie auch morgen noch ein Teil von ihr sind.