Dies & Das

Nur in deinem Kopf

Seit 12 Jahren stehe ich nun regelmäßig im Zauberladen. Da kommen natürlich immer wieder diese selben Fragen von Menschen, die neu in der Zauberkunst sind. Um nicht in die Falle zu tappen und die falschen Dogmen zu wiederholen, wie man sie häufig hört, war ich stets bemüht mich mit der Theorie dahinter auseinander zu setzen. Eine Perspektive, die man oft nicht so am Radar hat möchte ich in diesem Artikel ein wenig beleuchten.

Bei Zauberkunst, da denken viele an raffinierte Tricks, oder auch an Fingerfertigkeit. Das mag alles irgendwo auch dazu gehörten, aber aus meiner Sicht ist es vor allem ein Zusammenspiel zwischen dem Künstler und seinem Publikum. Anders gesagt, ein Zauberkünstler alleine kann keine Magie erschaffen. Zauberei entsteht erst in der Wahrnehmung des Zuschauers. Doch was bedeutet das? Wie aktiv ist der Zuschauer in diesem Prozess? Und inwiefern wird er selbst zum Künstler?

Die Kunst der Wahrnehmung

Ein Magier manipuliert nicht nur Karten oder Münzen, sondern auch Erwartungen, Wahrnehmungen und Erinnerungen. Das Ziel ist nicht einfach, zum Beispiel etwas vor den Augen des Publikums verschwinden zu lassen, sondern eine Erinnerung an ein Erlebnis zu erzeugen, das sich jeder logischen Erklärung entzieht.

Doch genau hier kommt der Zuschauer ins Spiel: Damit eine Zaubervorführung funktioniert, muss er sich auf das Spiel einlassen. Er muss bereit sein, das Unmögliche zumindest für einen Moment als Realität zu akzeptieren. Wie beim Lesen eines Buches oder dem Ansehen eines Films spielt seine Vorstellungskraft eine entscheidende Rolle. Wer ein Buch mit blühender Fantasie liest, taucht tiefer in die Geschichte ein. Ebenso erschafft sich ein Zuschauer, der sich auf eine Zaubershow einlässt, eine lebendigere Erinnerung an das scheinbar Unmögliche.

Zauberei als interaktive Kunst

Zauberei fordert vom Zuschauer eine aktive Beteiligung. Nicht zwingend durch physische Handlungen, sondern durch seine Gedanken. Der Magier liefert die Struktur, aber es ist der Zuschauer, der sie mit seiner eigenen Vorstellungskraft zum Leben erweckt.

Denken wir an einen typischen Kartentrick: Der Magier lässt eine gewählte Karte verschwinden und an einem unmöglichen Ort wieder auftauchen. Technisch betrachtet gibt es eine geheime Methode, einen Trick dahinter. Doch in der Erinnerung des Zuschauers bleibt nicht die Technik, sondern das Wunder. Vielleicht verfeinert sein eigenes Gedächtnis die Geschichte unbewusst: Die Karte war “definitiv” in seiner eigenen Hand, bevor sie verschwand! Der Trick wird mit jeder Erinnerung magischer – und genau hier geschieht Kunst. Die eine Methode, die dahinter steckt reicht nun nämlich nicht mehr aus, um das Optimum aus dem Prozess rauszuholen, der im Kopf der Zusehers abläuft!

Der Zuschauer als kreativer Partner

Das Spannende ist, dass die Magie nicht nur auf der Bühne existiert, sondern in der Wahrnehmung des Publikums weiterlebt. Jeder Zuschauer konstruiert seine eigene Version des Erlebten, oft unbewusst geschmückt mit zusätzlichen Details. In gewisser Weise ist der Zuschauer also nicht nur Konsument, sondern auch Mitgestalter des Kunstwerks.

Man könnte sogar sagen: Der Magier setzt den ersten Pinselstrich, doch das endgültige Bild entsteht im Kopf des Betrachters. Je mehr dieser sich darauf einlässt, desto intensiver und wundersamer wird das Erlebnis.

Und das ist aus meiner Sicht auch die Basis für alles. Das ist auch der Grund weshalb ich allen rate, am Anfang die „einfachsten“ Sachen herzuzeigen, die sie finden. Keine schwierigen Grifftechniken. Am besten sogar Kunststücke ganz ohne Griffe. Stattdessen die volle Aufmerksamkeit den Zusehern schenken.

Wenn es bei Zauberkunst um Wahrnehmung geht, bedeutet das aus meiner Sicht auch, dass man selbst vieles Wahrnehmen sollte. Was hat der Zuseher gerade erlebt? Hat er sich auf mein Spiel eingelassen? Und wenn nicht, warum nicht? Habe ich eine Emotion ausgelöst? Habe ich eine Erinnerung geschaffen?

Das klappt übrigens nicht nur bei eigenen Vorführungen. Nichts ist lehrreicher, als andere Shows zu besuchen und dort den Focus nicht auf die Trickmethoden, sondern vor allem auf die Zuseher zu richten. Denn wenn ein Zauberkünstler, oder eine Zauberkünstlerin das Handwerk versteht, sind sie Teil des Kunstwerks!

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