Franz Haydinger, ein altes Haus und ein Zauberladen mittendrin
Seit rund drei Wochen sind wir nun in der Gartengasse in Wien. Diese durchläuft in ihrer Länge die ehemaligen weitläufigen Gartenanlagen des Margaretner Schlosses. Kommt man nun in den neuen Zauberladen, fällt gleich als erstes die große, alte Holztüre auf, durch die man die Trickbox nun betritt. Diese ist möglicherweise selbst schon mehr als 100 Jahre als, so wie das Haus selber!
Das Gebäude war einst eng verbunden mit Franz Haydinge. Oben an der Fassade prangt eine schön gestaltete Inschrift mit seinem Namen. Im Stiegenhaus findet sich eine Steintafel, die an ihn erinnert. Diese Erinnerungszeichen weisen darauf hin, dass Haydinger hier lebte beziehungsweise wirkte.
Wer war Franz Haydinger?
Franz Haydinger wurde 1797 in Wien geboren und verstarb 1876 ebendort. Schon mit zwölf Jahren musste er die Schule verlassen, um seinem Vater in der Gaststätte zu helfen. Doch ab 1822 ging er eigene Wege. Dann führte er selbst eine Gaststätte: das Gasthaus „Zu den zwei weißen Krügeln“ in der Gartengasse 18, also genau an der Adresse an der wir uns heute befinden. Im gleichen Jahr heiratete Haydinger übrigens die Hausbesitzertochter Katharina Kayser, wodurch er auch zum Eigentümer des Gebäudes wurde
Mit der Zeit entwickelte sich Haydinger von einem Wirt zum leidenschaftlichen Bücherfreund und Sammler. Angeregt durch historische Werke über Wien begann er, alles zu sammeln, was er über die Stadt, ihre Theater, Kulturgeschichte, Reformation, Hexenprozesse und vieles mehr finden konnte. Sein Finderglück war legendär: Anfangs griff er zu, wenn Bücher günstig aus Verpackungen von Wurst- und Käsehändlern auftauchten. Später kaufte er gezielt auf Auktionen in ganz Europa. So wuchs seine Sammlung auf rund 12.000 Bände an. Eine der ersten großen „Viennensia“-Sammlungen überhaupt, ergänzt um seltene Theatertexte, Kostümkundebücher und sogar Erstausgaben literarischer Klassiker.
Ende der 1850er-Jahre ereignete sich ein gravierender Einschnitt, denn Haydingers Frau verstarb. In der Folge zog sich der mittlerweile rund 60-jährige Wirt aus dem Tagesgeschäft zurück und übergab an seinen Sohn. Dieser übernahm die Gastwirtschaft, sodass das Haus in Familienhand blieb. Mit dem Generationswechsel, Ende der 1850er endete Franz Haydingers aktive Laufbahn als Wirt, während er sich fortan ganz seiner Leidenschaft als Büchersammler widmete
Haydinger genoss in Fachkreisen ein hohes Ansehen. Internationale Gelehrte ließen sich von ihm beraten, wenn es um alte Drucke und historische Literatur ging. Nach seinem Tod erwarb die Stadtbibliothek Wien einen großen Teil seiner Sammlung (vor allem die Vienna- und Theaterliteratur), während der Rest versteigert wurde. 1909 ehrte man ihn mit der Enthüllung einer Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus, ebenfalls dem Gebäude in der Gartengasse 18. Damals hat es sich allerdings bereits um die Neubau gehandelt, der bis heute steht.
Zu den zwei weißen Krügeln
Das Wirtshaus selbst scheint hier übrigens ein höchst interessanter Ort gewesen zu sein! Anders, wie man es bei so einem Lokal vielleicht vermuten würde, gingen dort nämlich Gelehrte ein und aus, die auf der Suche nach Büchern waren, die sie in den großen öffentlichen Bibliotheken eben nicht finden konnten. Der Wirt fungierte gleichsam als lokaler Bibliothekar und vermittelte sein Wissen gerne an Interessierte. Diese ungewöhnliche Kombination aus Wirtshaus und Gelehrtenstube verschaffte dem Lokal einen legendären Ruf. Zeitgenössische Zeitungen bezeichneten Haydinger ehrfurchtsvoll als „den gelehrten Wirt von Margareten“, da er Gastfreundschaft mit Gelehrsamkeit vereinte.
Natürlich erfüllte das Gasthaus auch die üblichen sozialen Funktionen eines Vorstadt-Beisls. Es war ein Treffpunkt für die lokale Bevölkerung, wo Handwerker, Händler und Nachbarn nach getaner Arbeit ihr Bier tranken. In den schlichten Gaststuben wurden vermutlich Kartenspiele gespielt und lokale Neuigkeiten ausgetauscht, wie in jedem Wiener Vorstadtwirtshaus jener Zeit. Haydingers Präsenz und sein Ruf als Büchersammler zogen jedoch auch ein Publikum an, das über Margareten hinausging, etwa Schriftsteller, Theaterleute oder bildungsbeflissene Bürger der Stadt. So entstand eine interessante Mischung an Gästen: vom einfachen Handwerker am Stammtisch bis zum Universitätsprofessor, der ein seltenes Buch studieren wollte. Das Wirtshaus „Zu den zwei weißen Krügeln“ diente damit zugleich als gemütlicher Schankraum und als kleiner kultureller Salon im Biedermeier-Wien.
Umbauten und spätere Nutzungen nach dem Gastbetrieb
Nach dem Tod Franz Haydingers im Jahr 1876 blieb die Gaststätte noch einige Jahrzehnte bestehen. Allerdings ging mit dem Fortschritt die Ära der kleinen Vorstadthäuser zu Ende. 1904 wurde das alte Wirtshausgebäude in der Gartengasse schließlich abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Das Gasthaus „Zu den zwei weißen Krügeln“ existierte damit nicht mehr. Auch der Name verschwand aus dem Wiener Gastgewerbe. An selber Stelle entstand ein mehrstöckiges Zinshaus der Jahrhundertwende, wie es für die rasch wachsende Stadt damals typisch war. Damit endete die rund 100-jährige Geschichte des Gasthauses an diesem Ort.
Zurück ins Heute
Darüber, wie es danach bis heute weiterging konnte ich bis jetzt noch nicht so viel rausfinden. So wie ich gehört habe, könnte aber danach auch wieder ein Gasthaus an dieser Adresse existiert haben. Die heutigen Räumlichkeiten des Zauberladens scheinen die Lagerräume hierfür gewesen zu sein.
Man sieht, hier gibt es mit Sicherheit noch viel zu entdecken! Und mit der Trickbox werden wir nun die Geschichte an dieser Adresse selbst ein wenig mitschreiben. Und darauf freue ich mich mindestens genauso viel! 🙂
